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Studying

Polen—Einblicke in politische, kulturelle und soziale Landschaften

Field Trip
Sommer '24 (SQ / PRO)
Tatjana Schneider, Licia Soldavini, Ayat Tarik und Manuel Falkenhahn

Nach der Parlamentswahl in Polen 2023 war in vielen Ländern Europas Erleichterung zu spüren. Nach acht Jahren, die die rechtsradikale PiS über die absolute Mehrheit im Parlament verfügte, hat es ein breites Parteienbündnis bei einer Wahlbeteiligung, die seit 1989 nicht mehr so hoch war, geschafft, die benötigte Mehrheit für die Bildung einer neuen, demokratischen und pro-europäischen Regierung zu erzielen.

Aufgrund der einschneidenden politischen Programme und Maßnahmen war in den Regierungsjahren der PiS massives zivilgesellschaftlichen Engagement nötig: zum einen, um Unmut und Frust gegenüber politischen Entscheidungen Ausdruck zu verleihen, zum anderen, um von den staatlichen Institutionen vernachlässigte Aufgaben zu übernehmen. Die Anlässe dafür waren so zahlreich wie gravierend: Eingriffe in die Medienfreiheit haben die Öffentlich-rechtlichen in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt, Justizreformen die regierungskonforme Besetzung des Verfassungsgerichts erlaubt, ein Geschichtsrevisionismus abweichende kulturelle und akademische Institutionen unter Druck gesetzt, ein restriktives Abtreibungsgesetz die Selbstbestimmung von Frauen* beschnitten, menschenrechtswidrige Abschiebungspraktiken (wie sog. Pushbacks) werden durch einen Zuwanderungsdiskurs legitimiert, der durch Ressentiments geprägt ist. Auch wenn die Regierung 2021 den Kohleausstieg bis 2049 beschlossen hat, ist die Abhängigkeit von Kohle als Energieträger groß, mit erheblichen Folgen für die Luft- und Umweltverschmutzung.

Für dieses zivilgesellschaftliche Engagement wurden auf vielfältige Art und Weise be- und widerständige Projekte unentbehrlich: Netzwerke, die oppositionelle Arbeit und pro-demokratische Proteste organisiert haben, queere und feministische Räume und Bewegungen, die Personen auffangen, die unmittelbar von den Folgen der politischen Entscheidung und gesellschaftlicher Stimmung leiden, oder Gruppierungen, die auf Klima- und Umweltschäden aufmerksam machen und ökologische Bildung betreiben.
Diese häufig kollaborativen Ansätze haben es möglich gemacht, trotz der widrigen Umstände Vorstellungen eines offenen und pluralistischen Zusammenlebens aufrechtzuerhalten und neu zu entwickeln.
In Zeiten des erstarkenden Rechtspopulismus, der in Europa den Umweltschutz diskreditiert, Großteilen von Bevölkerungen die Menschenrechte abspricht und Verteilungsfragen ignoriert, können diese Initiativen konkrete Handlungsansätze und Möglichkeitsräume für gerechtere Zukünfte aufzeigen.

Kosten und Anmeldung

Reisekosten: 550,00 €/Person. Es wurden Fördermittel (SQM & PROMOS) in der Höhe von 420,00 €/Person beantragt. Die Eigenbeteiligung wird demnach voraussichtlich 130,00 €/Person betragen. Über den Stand der Bezuschussung wird fortlaufend informiert.

Für die Lehrveranstaltung stehen 12 Plätze zur Verfügung, die Vergabe der Plätze erfolgt nach einer Interessenbekundung inklusive Motivationsschreiben. Bitte schildert eure Beweggründe und Interessen an dem Format auf einer DIN A4-Seite und schickt diese bis zum 25.03. an gtas@tu-braunschweig.de.

Lernziele

Die polnische Bevölkerung hat (wie viele Staaten im östlichen Europa) in kurzer Zeit große systemische Transformationsprozesse durchlebt: Im post-kommunistischen Polen der 1990er Jahre wurden viele Menschen von den Privatisierungen und Neoliberalisierungen zurückgelassen. Die Ernüchterung und wirtschaftliche Prekarität wird (wie auch an anderen Stellen) als Erklärungsversuch hinzugezogen, als sich in den 2010er Jahren mit der Regierungsbildung der rechtsradikalen PiS eine weitere strukturelle Veränderung ankündigt. In den folgenden Jahren wurden die rechtsstaatlichen Funktionen massiv umgebaut und das öffentliche Leben eingeschränkt, wodurch Individuen und Institutionen weiter vereinzelt, prekarisiert und gegeneinander ausgespielt wurden. Die Demokratiebewegung hat diesen Hintergrund nutzen können, um die polnische Bevölkerung hinreichend zu mobilisieren und den Umschwung zu ermöglichen. In den verbleibenden 2020er Jahren wird versucht werden müssen, die rechtsstaatlichen Strukturen auf eine solche Weise (wieder-)herzustellen, dass die Veränderungen nachhaltig verankert und gesellschaftlich getragen werden.

Während der Exkursion werden die Studierenden ein differenziertes Verständnis von diesen Transformationsprozessen bekommen, die doch beispielhaft für viele vergleichbare Dynamiken an anderen Orten in Europa, auch in Deutschland, ist.

In Warschau und Krakau werden sie unter anderem mit Personen in Kontakt kommen, die sich intensiv mit der Neoliberalisierung in der Stadtentwicklung polnischer Städte in den 1990er Jahren auseinandergesetzt haben, mit Initiativen, die sich der Archivierung marginalisierter Geschichten seit der Nachkriegszeit gewidmet haben, mit Gruppierungen, die in Sumpflandschaften die vielfältigen Abhängigkeiten in Ökosystemen erklären, und mit Hochschulen, die sich auf soziale und ökologische Verantwortung von Architekt*innen konzentrieren. Mit und zwischen den Programmpunkten soll ein Gesamteindruck vermittelt werden, auf welche vielfältigen Arten und Weisen (politisch, sozial und kulturell) Einfluss genommen werden kann. Die Studierenden werden mit verschiedenen inter- und transdisziplinären Wissenswelten in Kontakt kommen und Fähigkeiten erlernen, historische Ereignisse und Transformationen zu verstehen, sich der komplexen Implikationen für Raum und Gesellschaft bewusst zu werden und diese in eigene Herangehensweisen und Lösungsansätzen einfließen zu lassen.

Termine

    Einführung
    Vorbesprechung
    Exkursion
    Nachbesprechung
    Abgabe